Der Joker – Kritiken

Fabelhafte Wesen wie aus dem Comic

Matthias Biskupek schreibt in der  Thüringer Allgemeine am 24.11.2013:

Choreographin Silvana Schröder vereint Puppen und Tänzer.
Gera. Aufragende Rechtecke drängen sich im Hintergrund der Bühne, Großstadt-Wohnblocksilhouette wird sichtbar, vielleicht auch zwanziger Jahre und Oskar Schlemmer, Bauhaus-Bühnen-Lehrer, assoziierend, Klaviertöne vom Band. Eine seltsame rote Dreikopfgestalt schiebt sich von unten herein, überlange Figuren mit Grinsekopfmasken …

Die Chefin des Thüringer Staatsballetts, Silvana Schröder, hat ihren Abend „Der Joker“ überschrieben. Diese Uraufführung ist eine große Anstrengung der Theaterleute, von der Maske, dem Figurenbau, Ton- und Videotechnik, der Kostümschneiderei bis zu den über zwanzig Tänzern und drei Puppenspielern, die in gut anderthalb Stunden etwas vorführen, das wohl nur entfernt als Handlungsballett verstanden werden will.

Gewiss, es gibt eine Story: Der Joker wird vom Pinguin getötet, gewinnt aber neues Leben und ein neues Antlitz, kommt in seine Stadt zurück, schmeichelt und schleimt sich bei den Bewohnern ein, verteilt Joker, Geschäftskarten für alles und jeden, bekommt eine ganze Anzahl Klone, gewinnt schließlich die Gunst der Geliebten des Pinguin, Red Cat. Die wird von Pinguin-Getreuen regelrecht übermannt; zurück bleibt der Kampf vom Beginn: Joker contra Pinguin.

Als sei es ein Film, rollen die Köpfe

Die Möglichkeiten des Puppentheaters werden genutzt, um Figuren wie im Comic wahrlich ausufern zu lassen, die Gliedmaßen verteilen sich im Raum, ein Großkopfeter schwebt über den Häusern, man lässt im Wortsinn Köpfe rollen. Wenn der Joker wiederbelebt wird, hängt er zuckend am Seil wie eine Marionette, Tänzer wird Puppe, und leere Kleidung wird belebt: Animationsfilm in seinen Ursprüngen. Beeindruckend das hündische Doppelkopfwesen von Chiho Kawabata, die leuchtendrote Red Cat der Alina Dogodina, die ständig zeigt, was Spitzentanz an Größe ergeben kann, ihre jeweiligen Partner Joker (Filip Kvacák) und Pinguin (Vitalij Petrov) sind dann nur Männlein vor des Weibes Länge und Geschmeidigkeit.

Die Aufführung böte Stoff, das Gut-Böse-Schema zu diskutieren, allein das Kostüm des Pinguin ist Metapher genug: Weiß schreitet ein Mann von links nach rechts, eine Körperdrehung lässt ihn zum schwarzen Gesellen im Rückwärtsgang werden. Wenn die tote Red Cat von einem winzigen Puppenmann beschnuppert wird, macht das erst die Video-Rückprojektion klar: Technik verdeutlicht oder verzerrt die wirkliche Welt. Silvana Schröder hat mit Andreas Auerbach (Bühne, Kostüme, Video), Sylvia Wanke (Figuren, Maske, Objekte) und Sabine Schramm (Leiterin Puppentheater) Mitstreiter, die zum Premierenerfolg beitrugen. Der Beifall war lang; man lehnt sich erstaunt, erfreut und bereichert zurück.

 

zurück

WP-Backgrounds Lite by InoPlugs Web Design and Juwelier Schönmann 1010 Wien